Welche Arbeit ist attraktiver als Freizeit?
von Martin Bunjes
Online-Meeting vom 28. Oktober 2025
Elisabeth Michel-Alder, Projektleitung von aeltertätig.ch, gab Einblick in einige Ergebnisse des bald abgeschlossenen Forschungsprojekts. Untersucht wurde, was langjährig Tätige durch ihr Engagement gewinnen – und welche Bedingungen motiviertes Arbeiten bis ins höhere Erwerbsalter erst ermöglichen.
Im Fokus standen zentrale Fragen:
- Was ist zu tun, damit kompetente Mitarbeitende bis zum ordentlichen Referenzalter motiviert und leistungsfähig bei der Stange bleiben und nicht vorzeitig aussteigen?
- Wie sind Personen zu begleiten, die sich die letzten Jahre in ihrem Job nicht mehr zutrauen, den Veränderungen nicht gewachsen sind oder sich weniger belasten wollen?
Die Präsentation wurde an die Teilnehmenden verschickt. Interessierte können sie bei martin.bunjes@spurenwechseln.ch anfordern.
Im Anschluss an die Präsentation wurden unter den Teilnehmenden die folgenden Aspekte diskutiert.
- Viele lassen sich gern pensionieren, kommen aber 1 – 2 Jahre später zurück und fragen nach Beschäftigungsmöglichkeiten. Forschungsergebnisse zeigen, dass nach der Pensionierung bereits ein Unterbruch/ Abwesenheit von wenigen Monaten dazu führt, dass der Wiedereinstieg und damit das "Einordnen" in eine Unternehmensstruktur schwerfällt.
- Ein Unternehmen ist gut beraten, den Dialog über die Zukunft einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters früh zu suchen. Das bedingt aber auch, dass das Unternehmen den Mitarbeitenden Perspektiven aufzeigt und dass Tätigkeitsfelder, wenn gewünscht, individuell besser zugeschnitten werden können. Was ist möglich, was nicht?
- Ideal wäre, dass alle Mitarbeitenden nach einer Anzahl beruflicher Erfahrungsjahre (12 -18) in ein internes Development Center ein geladen würden, um die 2.Hälfte des Berufsweges ins Auge zu fassen und den Blick über die Schwelle des Rentenalters hinaus zu richten. Zu überlegen wäre, ob auch die Partner:innen phasenweise in solche DCs einzuladen wären. Im längeren Leben macht es Sinn, sich strukturiert und angeleitet mit den Zukunftsfragen zu beschäftigen und nicht unbedacht in gut zwei Jahrzehnte «Ruhestand» hineinzustolpern. Solche Development Centers können 1-3 Tage dauern oder in drei Etappen à 4 Stunden in Gruppen während eines Vierteljahres stattfinden. Die Formenvielfalt ist gross, je nach Zielsetzung. Kernfragen sind z. B. Wenn ich nochmals wählen könnte, was wäre das? Was ist mir heute wichtig, was sind meine aktuellen Talente und Interessen mit einem Zeithorizont von 75 – 80 Jahren? Was traue ich mir zu und was nicht? Wie lässt sich dies mit den Vorstellungen in meiner Partnerschaft meinem Freundeskreis koordinieren?
- Fast genauso wichtig wie das passende Tätigkeitsfeld sind Kollegen- und Führungsbeziehungen. Hier lohnen sich Investitionen und Interventionen. Es sind vor allem die Vorgesetzten, die wichtige Mitarbeitende bei der Stange halten und schrittweise mit attraktiven Perspektiven überzeugen müssen.
- Altersstereotype (unsere aktuellen datieren aus den 1950igerJahren) sind ähnlich zu verflüssigen wie Genderstereotype. Es gibt Schulungen oder gezielte Interventionen und Marketingstrategien.
- Inzwischen gibt es grössere Unternehmen aus der Gastronomie und der Gesundheitsbranche, welche sich als Pioniere sehen und das Thema «länger arbeiten» bereits sehr strukturiert und mit konkreten Zielen angehen. Gewerbebetriebe sind schon längst mit solchen Praktiken vertraut, sie leiden schon lange unter Fachkräftemangel. In den grossen Schweizer Unternehmen, privaten wie öffentlichen, ist nach wie vor Frühpensionierung Trumpf und weniger als 1% der Belegschaft ist über 65.
- Das Thema Veränderung, sowohl persönliche als auch unternehmerische, sollte wie ein roter Faden in Unternehmen präsent und trainiert werden. Entsprechende Kompetenz würde bei Restrukturierungen helfen und gleichzeitig dazu beitragen, dass die Mitarbeitenden ihre "employability" behalten.
Was nehmen die Teilnehmenden mit?
Wie immer nehmen die Teilnehmenden vielfältige Impulse mit, die sie in ihren Unternehmen pragmatisch ausprobieren wollen:
- Für Mitarbeitende ist es viel zu spät, sich mit 63 oder 65 Gedanken machen über das junge Alter. Für Unternehmen natürlich auch. Die Arbeitgebenden müssen die Fragen weiterer Entwicklung mit den Mitarbeitenden viel früher klären.
- Es ist an den Unternehmen, ihre Mitarbeitenden beizeiten in Überlegungen zur biografischen Phase nach 45, 50 einzubinden und dies nicht dem individuellen Zufall zu überlassen. Man braucht keinen grossen Aufwand, muss es aber gezielt und strukturiert angehen.
- Kursangebote oder Möglichkeiten zur Verlängerung der Arbeitsverträge sind eine prima Voraussetzung, bewirken aber ohne konkrete Entwicklungsperspektiven und Interesse der Vorgesetzten wenig.
- Neben den Aktivitäten der Unternehmen sind auch die Mitarbeitenden gefragt, ihre zukünftigen Aufgaben zu planen.
- Im Privaten machen sich viele Personen Gedanken zu diesen Themen. Gleichzeitig bleiben sie damit oft allein, weil sie im Unternehmen keine Resonanz finden.
